Das Andenken an einen Juden soll begangen werden drei Tage vor dem 9. November. Wer denkt da nicht an den Jahrestag der Reichspogromnacht 1938? Am Tag danach brannte auch in Merzig die Synagoge, wurde der jüdische Friedhof geschändet. Die Erinnerung an diese Verbrechen kann an einem solchen Tag nicht unterdrückt werden. Die Feier galt indes einem zu seiner Zeit berühmten Sohn der Stadt Merzig, an dessen Begräbnis im Jahr 1861 viele Bürger der Stadt teilnahmen, Juden und Christen: Reb Mosche Merzig. Das war nicht sein richtiger Name, sondern ein Ehrentitel, der ihm wegen seiner Gelehrsamkeit und seinem besonderen Charisma zuteil wurde. Seine Talmudschule zog Schüler aus der näheren und weiteren Umgebung an, aus Deutschland sowohl wie aus Frankreich.
Moise Isack Levy, so hieß er richtig, war am 23. März 1804 in Merzig geboren worden. Nach dem jüdischen Kalender war das der 11. Nissan des Jahres 5564. Die Eintragung der Geburt des Jungen im Standesamt erfolgte weder nach dem gregorianischen noch nach dem jüdischen Kalender, sondern nach dem französischen Revolutionskalender: Acte de naissance de Moise Isack Levy né le premier Germinal à dix heures du matin l'an douze de la Révolution française. Seine Eltern waren der Handelsmann Isack Levy und dessen Ehefrau Eve Zerf Olmann. Sie gehörten zu den wohlhabenden Bürgern der Stadt und konnten es sich leisten, ihren Sohn bei einem berühmten Rabbi in Mainz, dem Vorsteher des jüdischen Gerichtshofes und der Talmudschule, studieren zu lassen. Von den Studienjahren abgesehen verbrachte Moise sein ganzes Leben in Merzig. Er war nie Angestellter der Synagogengemeinde, hatte aber großen Einfluss auf das jüdische Leben in seiner Heimatstadt, war am Bau der Synagoge und der Einrichtung der jüdischen Elementarschule beteiligt und gründete in seinem Haus die Talmudschule, durch die er berühmt wurde.
Sein Ehrentitel ist überliefert in einer Empfehlung des Rabbis Jacob Haguenauer aus Marmoutier im Unterelsaß. Dieser riet einem seiner Schüler, seine Studien in Merzig fortzusetzen bei Moses Levy, „plus connu sous le nom de Reb Moché Merzig". Er starb am 29. September 1861 und wurde auf dem jüdischen Friedhof seiner Heimatstadt begraben.
Das Sterbedatum entspricht im jüdischen Kalender dem 25. Tischri 5622, der im Jahr 2011 auf den 23. Oktober fällt. Es waren äußere Gründe, die es nicht zuließen, die Gedenkfeier auf diesen Tag zu legen.
Weit mehr als hundert Teilnehmer fanden sich bei sonnigem Herbstwetter auf dem Platz ein, wo die Synagoge gestanden hatte, und wurden von Bürgermeister Manfred Horf im Namen der „Arbeitsgruppe Jüdische Geschichte der Stadt Merzig" begrüßt. Auf dem nahen jüdischen Friedhof, wo Reb Mosche Merzig begraben worden war - man kennt sein Grab nicht mehr - hielt der Kantor der Synagogengemeinde Saar, Benjamin Chait, eine Gedenkandacht. In ritueller Kleidung und entsprechender Haltung trug er die hebräischen Gesänge und deren deutsche Übersetzung vor, zuletzt das Kaddisch, das jüdische Totengebet.
Die eigentliche Gedenkveranstaltung fand im Gustav-Regler-Zentrum statt, wo im „Park der Andersdenkenden" im Jahr 2004 ein von Professor Paul Schneider gestalteter Gedenkstein aus Anlass des 200. Geburtstages des Rabbis errichtet worden war. Darin sind sein Name und seine Lebensdaten eingemeißelt und in hebräischer Sprache ein Satz aus einem Nachruf aus seinem Sterbejahr 1861: Moses war ein bescheidener Mann.
Nach Begrüßungsansprachen von dem Vorsitzenden des Gustav-Regler-Zentrums, Dr. Martin Kaiser, und Bürgermeister Manfred Horf in Vertretung des Oberbürgermeisters Dr. Alfons Lauer sprach der Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar, Richard Bermann, über jüdisches Leben in unserem Land von seinen Anfängen in der Römerzeit bis zur Verfolgung und Auslöschung in der Nazizeit. Er dankte der Arbeitsgruppe, die durch die Vorbereitung dieser Feier und die Herausgabe des Buches „Reb Mosche Merzig und die jüdische Geschichte der Stadt" das Andenken an die Juden und an einen ihrer bedeutendsten Söhne wach halte.
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Bildnachweise:
Wir danken dem Archiv Regler, Merzig für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe der Fotos
- Vorschaubild: Kantor Benjamin Chait bei der Gedenkandacht auf dem jüdischen Friedhof
- Porträt von Moise Isack Levy, genannt Reb Mosche Merzig
- Gedenkstein für Reb Mosche Merzig bein Gustav-Regler-Zentrum
- Gedenktafel in der Wagnerstraße in Merzig
Die Fotos
- Gedenkandacht auf dem jüdischen Friedhof
- Gedenkveranstaltung im Gustav-Regler-Zentrum
stammen von Joachim Schwarz